Hilfe mein Pferd ist zu dünn! Ursachen, Fütterung und Aufbau
- Joelle
- 3. Sept.
- 6 Min. Lesezeit
Ein untergewichtiges Pferd ist nicht nur ein ästhetisches Problem, es kann auf ernsthafte gesundheitliche oder Management bedingte Ursachen hinweisen. Laut Jarvis & McKenzie (2021) kann Gewichtsverlust durch unzureichende Energiezufuhr, gestörte Verdauung, chronische Entzündungen oder metabolische Erkrankungen ausgelöst werden (1). Ein methodischer Ansatz zur Ursachenklärung ist daher essenziell.
1. Körperzustand erkennen: Body Condition Score (BCS)
Der Body Condition Score (BCS) ist ein anerkanntes System zur Beurteilung des Ernährungszustands eines Pferdes. Dabei wird der Anteil des Körperfetts anhand definierter Fettdepots, wie Rippen, Rückenlinie, Schweifansatz und Hals, visuell und durch Abtasten eingeschätzt. Dieses Verfahren ist unabhängig von Rasse, Alter oder Trainingszustand anwendbar und bietet somit eine standardisierte Bewertungsgrundlage. Die BCS-Skala reicht von 1 (stark untergewichtig) bis 9 (stark übergewichtig), wobei ein Wert zwischen 4 und 6 als physiologisch wünschenswert gilt.

Bei Abbildung 1 sieht man die verschiedenen Zonen A bis F, die man analysiert und welche Fettdepots aufweisen können. Bereits auf qualitativen Bildern kann man den BCS solide einschätzen, ich mache dies kostenlos in meiner Erstberatung.
Typische Merkmale für Untergewicht:
Sichtbare Rippen und Dornfortsätze
Eingefallene Flanken
Reduzierte Muskulatur an Rücken und Kruppe
Mattes Fell und verminderte Leistungsbereitschaft
2. Ursachen für Untergewicht
Untergewicht bei Pferden ist ein komplexes Problem, das nicht nur die äußere Erscheinung betrifft, sondern auch tiefgreifende Auswirkungen auf Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden haben kann. Die Ursachen sind oft multifaktoriell und sollten systematisch untersucht werden, wie Corradini (2023) in UK Vet Equine betont. (4)
Die Gründe sind oft multifaktoriell, ich erläutere dir einige im folgenden Abschnitt.
1. Futtermenge und -qualität
Ein häufiger Grund für Gewichtsverlust ist eine unzureichende Energiezufuhr. Jarvis & McKenzie (2021) zeigen, dass dies durch zu geringe Futtermengen, schlechte Heuqualität oder fehlende Ergänzungen entstehen kann. Auch wenn die Futterration mengenmäßig ausreicht, kann eine mangelhafte Nährstoffdichte zu einem Energiedefizit führen. (1)
2. Zahnprobleme
Zahnprobleme sind eine unterschätzte Ursache für Untergewicht. Schlechte Kauleistung führt zu verminderter Futteraufnahme und schlechter Verwertung. Corradini (2023) empfiehlt eine regelmäßige Zahnkontrolle, da selbst kleine Läsionen oder Haken die Nahrungsaufnahme erheblich beeinträchtigen können.
3. Stress und soziale Faktoren
Stress durch Rangordnungskämpfe, unruhige Haltungsbedingungen oder mangelnde Ruhephasen kann die Futteraufnahme hemmen. Pferde in Stresssituationen zeigen oft reduzierten Appetit oder werden beim Fressen verdrängt. Studien zeigen, dass soziale Interaktionen und Haltungsformen direkten Einfluss auf die Energieaufnahme haben.
4. Krankheiten und Stoffwechselstörungen
Chronische Erkrankungen wie PPID (Pituitary Pars Intermedia Dysfunction), EMS (Equines Metabolisches Syndrom), Parasitenbefall oder entzündliche Prozesse können zu Gewichtsverlust führen. Jarvis & McKenzie (2021) weisen darauf hin, dass insbesondere Proteinverlust-Syndrome und metabolische Dysfunktionen die Energieverwertung stören.
5. Erhöhter Energiebedarf
Auch ein erhöhter Energieverbrauch, wie zum Beispiel durch Kälte, Trächtigkeit, Laktation oder intensives Training, kann zu einem Defizit führen, wenn die Fütterung nicht angepasst wird. Die Balance zwischen Energieaufnahme und -verbrauch ist entscheidend für die Gewichtsstabilität. Ein Energieungleichgewicht zwischen Aufnahme und Verbrauch ist häufig die Hauptursache (2).

In Abbildung 2, wird ersichtlich, dass nicht alle Gründe gleichgeewichtig sind, sondern in unterschiedlicher Form zum Untergewicht beitragen. Klar ist, die Fütterung ist der grösste Bestandteil, denn wenn nicht genau klar ist was das Pferd frisst und wieviel Energie es tatsächlich braucht, kann nicht ermittelt werden wieviel es fressen soll. Wenn man die Fütterung aber anpasst, sollten die anderen Faktoren berücksichtigt werden, um somit auch anderen Störungen wie Zahnprobleme oder Stoffwechselprobleme auf den Grund zu gehen, und das Pferd unterstützen kann. Deshalb kann man keine pauschale Antwort geben, weshalb ein Pferd untergewichtig ist, und was es braucht, um normalgewichtig zu werden.
3. Fütterungsempfehlungen für den gesunden Aufbau untergewichtiger Pferde
Ein untergewichtiges Pferd braucht mehr als nur „mehr Futter“, es braucht eine gezielte, ausgewogene und individuell abgestimmte Fütterung, die sowohl Energie liefert als auch die Verdauung und Nährstoffverwertung unterstützt. Laut Jarvis & McKenzie (2021) ist eine systematische Herangehensweise entscheidend, um Ursachen zu erkennen und gezielt gegenzusteuern. (1)
Eine gezielte Fütterung ist der Schlüssel:
Heu ad libitum: Hochwertig, strukturreich und frei von Schimmel
Luzerne & Heucobs: Eiweißreich und gut verdaulich
Futtermittel mit hochwertiger und konzentrierter Energie, die Bioverfügbar ist
Aminosäuren: Lysin, Methionin und Threonin fördern Muskelaufbau
Mash & fermentierte Fasern: Unterstützen die Darmgesundheit
Diese Futtermittel sind nur einige Beispiele, auf was geachtet werden kann und soll. Jedoch muss für jedes Pferd individuell bestimmt werden, welches Futtermittel geeignet ist, insbesondere bei Begleiterkrankungen wie zum Beispiel Asthma oder Magengeschwüre.

Die richtige Kombination aus Energie, Eiweiß und Rohfaser ist entscheidend für eine gesunde Gewichtszunahme. Aber wie bereits erwähnt, muss erst geklärt werden, was die Ursache für den Gewichtsverlust sein könnte, um dagegen anzugehen und das Pferd gezielt zu füttern.
1. Raufutter als Basis – Qualität vor Quantität
Heu als Hauptnahrungsquelle: Mindestens 1,5–2 kg pro 100 kg Sollgewicht.
Heucobs oder Luzernehäcksel: Ideal bei Zahnproblemen oder schlechter Heuaufnahme.
Ad libitum-Fütterung: Stressfreier Zugang zu Heu fördert kontinuierliche Energiezufuhr.
Tipp: Heu analysieren lassen, der Energiegehalt schwankt stark zwischen verschiedenen Standorten und Erntejahren.
3. Protein gezielt ergänzen – für Muskelaufbau
Luzerne, Esparsette, Sojaflocken: Hochwertige Eiweißquellen.
Aminosäuren wie Lysin & Methionin: Wichtig für Substanzaufbau.
Hinweis: Muskelabbau ≠ Fettabbau – gezielte Eiweißzufuhr ist essenziell.
4. Mineralstoffe & Mikronährstoffe nicht vergessen
Zink, Kupfer, Selen, Vitamin E: Unterstützen Zellstoffwechsel und Regeneration.
Magnesium: Fördert Entspannung und Stressabbau.
Carnitin & B-Vitamine: Für Energieverwertung und Appetit.
5. Fütterungsmanagement – Struktur schafft Erfolg
Mehrere kleine Mahlzeiten pro Tag
Ruhige Fressplätze ohne Konkurrenzdruck
Futtertagebuch führen: Gewicht, Appetit, Verhalten dokumentieren
Hinweis: Bevor man seine Fütterung komplett über den haufen wirft und alles mögliche dazu füttert, dass in Blogbeiträgen und anderen Futterhersteller empfohlen wird, lasse die Fütterung einmal professionell analysieren und Futtermittel unabhängig empfehlen zu lassen, die zu deinem Pferd und seinen Lebensumständen passt. So reduzierst du nicht nur Futterkosten, sondern auch Tierarztkosten in der Zukunft.
Ein erfahrener Futterberater kann genau aufzeigen:
Wie viel von jedem Nährstoff im aktuellen Futter enthalten ist
Wie viel das Pferd tatsächlich braucht
Welche Ergänzungen sinnvoll sind und welche nicht
Wenn diese Transparenz fehlt, sollte man die Futterberatung überdenken. Denn nicht jedes Produkt passt zu jedem Pferd und nicht jede Kombination ist sinnvoll. Gerade bei übergewichtigen Pferden, oder bereits stoffwechsel-erkrankten Pferden, sind die Ergänzungsfuttermittel entscheidend, ob es zu einer Verbesserung der Situation kommt oder nicht. Nur die Pferde aushungern lassen und übermässig zu trainieren ist keine Lösung.
Eine Mineralstoffanalyse der verwendeten Futtermittel ist ein wertvolles Werkzeug, um die Versorgungslücken zu erkennen. Darauf aufbauend kann man gezielt nach passenden Ergänzungsfuttermitteln suchen, die zum Pferd passen.
4.Stressmanagement & Haltung
Stress kann die Futteraufnahme massiv beeinträchtigen. Achte auf:
• Ruhige Futterplätze
• Trennung bei Rangordnungsproblemen
• Ausreichend Bewegung & Sozialkontakt
• Individuelle Anpassung der Haltung
Das International Journal of Equine Science betont, wie wichtig Managementpraktiken für das Wohlbefinden und die Gewichtsentwicklung sind. Beobachte genau wie sich dein Pferd in der Herde, speziell auch bei Fütterungszeiten, verhält. Du kennst dein Pferd am besten und kannst durch die Beobachtung gut beurteilen, ob sich dein Pferd wie gewöhnlich verhält, oder ob es Stress hat. (5)
Fazit
Ein untergewichtiges Pferd braucht mehr als nur „mehr Futter“. Die Ursachen sind oft komplex, und eine ganzheitliche Betrachtung von Fütterung, Haltung und Gesundheit ist entscheidend. Peer-reviewed Studien zeigen, dass ein methodischer, individueller Ansatz langfristig die besten Ergebnisse liefert.
Man muss sich ebenfalls bewusst sein, dass das Auffüttern Zeit braucht, eine Gewichtszunahme von ungefähr 1 kg pro Woche ist realistisch. Jedes Pferd ist anders und pauschale Lösungen funktionieren selten gut, daher analysiere ich in meinen Beratungen jedes Pferd individuell und schaue mir nicht nur die Fütterung, sondern ziehe auch seine Haltung, Training und seinen Charakter in Betracht und bewerte das Gesamtbild.
Beratungen lohnen sich insbesondere bei Stoffwechselpatienten oder Senioren, denn diese Gruppen sind definitiv sehr anfällig auf verschiedene Futter und das kann gesundheitliche Folgen haben, wenn sie nicht korrekt gefüttert werden.
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Quellen
Nutritional Considerations when Dealing with an Underweight Adult or Senior Horse - PubMed, Jarvis, N., & McKenzie, H.C. (2021)
The Effect of Small Square-Bale Feeder Design on Hay Waste and Economics During Outdoor Feeding of Adult Horses, Martinson et al. (2014)
A practical approach to weight loss in adult horses, Corradini (2023)
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